Bergbau im Regenwald Credit: Tom Fisk, Pexels

Alle zusammen für das Klima?

Die Energiewende als Kern des Klimaschutzes wird oft als eine gemeinsame Aufgabe für die gesamte Gesellschaft verstanden. Doch die betriebswirtschaftliche Perspektive der Energiekonzerne widerspricht den volkswirtschaftlichen und ökologischen Notwendigkeiten. Das ist ein handfester Interessenkonflikt, der einen Konsens unmöglich macht.

Viele Energiekonzerne inszenieren sich als Vorreiter für eine saubere Energieerzeugung. Sie verkünden ambitionierte Ziele („fossilfrei innerhalb einer Generation“) und werben mit ihren Investitionen in Offshore-Windkraft. Dadurch vermitteln sie den Eindruck, es gäbe keinen Interessenkonflikt und die Energiewende sei bei ihnen in den besten Händen.

Die Regierungen unterstützen diesen Kurs. Gemeinsam mit der Energiewirtschaft erarbeiten sie Programme, um einen Weg in eine vermeintlich saubere Energiewelt der Zukunft zu finden. Selbst Umweltschutzgruppen äußern sich erleichtert, die Konzerne hätten endlich verstanden, dass sie ihr Geschäftsmodell ändern müssen.

Das klingt, als sei die Energiewende als Kern des Klimaschutzes eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft. Wenn alle an einem Strang ziehen würden, könne die ökologische Krise gestoppt werden. Jeder nach seinen Möglichkeiten: Die Konzerne mit großen Windkraft-Anlagen an der Küste, ergänzt um Solarparks auf kommunaler Ebene und individuelle Prosumer, die ihren Strom auf dem eigenen Hausdach ernten. Alle zusammen.

Diese Vorstellung klingt attraktiv. Ein Konsens ist leichter zu organisieren als ein Dissens. Doch so einfach ist es nicht. 

Optimale Verwertungsstrukturen

Aus der fossilen Energieerzeugung ist eine bestimmte, nämlich zentralistische Infrastruktur entstanden. Eine lange, über viele Stufen reichenden Wertschöpfungskette, an deren Spitze der Konzern entscheidet. Innerhalb dieses Systems sind die einzelnen Fertigungsschritte koordiniert. Für das Unternehmen ist es betriebswirtschaftlich sinnvoll, die Kohlemine zu besitzen und sich selber zu beliefern. Oder die Transport-Infrastruktur zu übernehmen. Oder die Reste der Ölverarbeitung zu Kunststoff weiterzuarbeiten.

Geschlossene Energiesysteme

Im Ergebnis entsteht ein komplexes und hierarchisches Gebilde, das durch drei Faktoren gekennzeichnet ist:

  • Je mehr, desto besser. Als Monopolist kann der Konzern Größenvorteile (steigende Skalenerträge) realisieren, denn ein zusätzlicher Kunde macht ihm kaum Kosten. Deshalb ist es für ihn besonders lukrativ, wenn er möglichst viele Abnehmer findet. Daher kommt der Trend zu globalen Konzernen, die immer größere Containerschiffe und immer umfangreichere Pipelines betreiben.
  • Je ungestörter, desto besser. Der Energiekonzerne koordiniert seine Abläufe, indem er alle Fertigungsschritte möglichst gut aufeinander abstimmt. In der Folge können Irritationen in einem Bereich (Preisschwankungen oder wegbrechende Marktanteile) eine große Dynamik entfalten, weil sie auf alle Ebenen des Systems durchschlagen. Aus diesem Grund ist der sture Blick auf Produktionskosten falsch, weil der Konzern sich nach Systemkosten richtet. (vgl. Scheer, Hermann (2010). 100 Prozent Jetzt! Der energet(h)ische Imperativ. Wie der vollständige Wechsel zu erneuerbaren Energien zu realisieren ist. Verlag Antje Kunstmann: München.)
  • Je abhängiger, desto besser. Wenn es in einem Gebiet nur einen Versorger oder einen Netzbetreiber gibt, gerät der Verbraucher in eine große Abhängigkeit. Sofern er Energie verbrauchen will, muss er Teil des Systems werden. Und das geht nur, indem er dafür bezahlt. Insofern handelt es sich hier um ein geschlossenes System, das immer aus einem „Drinnen“ und eben auch einem „Draußen“ besteht.

Diese drei Faktoren sind deshalb so entscheidend, weil sich aus ihnen die Verwertungsbedingungen ableiten. Je größer, je ungestörter und je geschlossener, desto lukrativer.

Vor diesem Hintergrund wird offensichtlich, was ein Energiekonzern überhaupt nicht gebrauchen kann: Parallele Strukturen.

Kein Nebeneinander

Jeder Verbraucher, der sich aus dem Netz der Konzerne ausklinkt, schwächt das gesamte System. Die Auslastung sinkt, die abgestimmten Kreisläufe werden irritiert. Je weniger Kunden sich im System befinden, desto höher werden die Kosten für die Verbliebenen. Deren Anreiz, auf alternative, dezentrale Strukturen auszuweichen, steigt. Das führt dazu, dass die Preise im erneuerbaren Konzept weiter sinken und die Dynamik verstärken. 

Diese Überlegungen führen zu der Schlussfolgerung: Zwei Energiesysteme nebeneinander können auf Dauer nicht funktionieren. Der Interessenkonflikt ist nicht zu vermeiden.

Die Existenzfrage

Am Ende dieser Entwicklung steht ein Szenario, das ein gewinnorientiertes Unternehmen nicht akzeptieren kann: Die sinkende Auslastung ist nur der Anfang. Im weiteren Verlauf wird das zentralistische System so lange ausgehöhlt, bis es schließlich in sich zusammenbricht. In letzter Konsequenz bedeutet das: Der Konzern wird überflüssig. Es geht um seine Existenz.

Ein Zusammenbruch kann in Zeiten, in denen Erwartungswerte an den Finanzmärkten eine wesentliche Rolle spielen, auch sehr schnell gehen. Dem Energiekonzern ist deshalb sehr daran gelegen, überhaupt keine Zweifel aufkommen zu lassen, dass er seine Marktposition halten wird. 

Systemkonforme Ansätze

In diesem Sinne war die Fossilwirtschaft in den letzten Jahrzehnten kreativ und entwickelte diverse systemkonforme Ansätze (Fossile Strategien). In diesen versuchte sie den Anschein zu erwecken, sie bemühe sich um eine saubere Energiegewinnung und die Energiewende falle deshalb in ihren Handlungsbereich („Wir machen das schon“). 

Dabei ging und geht es aber nicht um ökologische Perspektiven, sondern darum, den Interessenkonflikt zu vernebeln. In manchen Zusammenhängen können grüne Vorzeigeprojekte sinnvoll sein, aber das Ziel ist nie eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien.

Aus betriebswirtschaftlichem Blickwinkel mag das nachvollziehbar sein. Aber eine Gesellschaft besteht eben nicht nur aus Konzerninteressen. Die ökologische und die volkswirtschaftliche Perspektive sehen anders aus.

Widerstreitende Interessen

Dieser Interessenkonflikt beantwortet die Frage, ob eine gemeinsame gesellschaftliche Kraftanstrengung für den Klimaschutz möglich ist. Alle zusammen für die Energiewende – das kann nicht funktionieren. 

Der Konflikt mit den Energiekonzernen ist notwendig. Es wird keine gemeinsame Rettung des Klimas geben. 

 

Konsens ist Nonsens.

Hermann Scheer

Die Energiewende kann nur als Bürgerenergiewende funktionieren.

Franz Alt

Dieser Unterschied erklärt, warum so viele dagegen sind, obwohl angeblich alle dafür sind.

Hermann Scheer

Gegner der Erneuerbaren erkennt man nicht mehr an ihrer offenen Gegnerschaft, sondern daran, dass sie Gründe für den Aufschub suchen.

Axel Berg

Bloß darauf zu warten, dass Kohleunternehmen von selbst den Übergang zu erneuerbaren Energien vollziehen, ist eine Taktik, die sicher in die Klimakatastrophe führt.

Heffa Schücking