Solarchance statt Solarpflicht
Die Grünen planen, eine Solarpflicht einzuführen. Damit unterstellen sie den Bürgern, diese würden sich nicht genug für den Klimaschutz engagieren. Doch im Gegenteil wäre der solare Ausbau schon viel weiter – wenn die Politik nicht ständig blockieren würde.
Annalena Baerbock und Robert Habeck präsentierten vor einigen Tagen ein Klimaschutz Sofortprogramm, das sie im Falle eines Wahlsieges umsetzen wollen. Sie bezeichnen es als „das größte Klimaschutzpaket, das es jemals gegeben hat“. Als ersten Punkt führen sie auf, die erneuerbaren Energien schneller ausbauen zu wollen. Das soll mithilfe einer Solarpflicht geschehen. Beim Neubau, bei öffentlichen Gebäuden, bei Gewerbegebäuden und bei umfangreichen Sanierungen soll zukünftig Photovoltaik verpflichtend sein.
Solarpflicht gegen vermeintliche Trägheit
Der Begriff Solarpflicht erweckt dabei den Eindruck, als sei die Installation von Photovoltaik problemlos möglich, scheitere aber an unwilligen Architekten und Hausbauern, die nun gezwungen werden müssten. Damit unterstellen die Grünen der Bevölkerung eine Trägheit, die sich in mangelnder Investitionsbereitschaft und fehlendem Engagement ausdrücken würde.
Der dadurch vermittelte Eindruck wird dem Engagement der Energiewende-Aktivisten nicht gerecht. Denn diese mobilisieren im Gegenzug eine Menge Zeit und Einsatz, um den Ausbau der Erneuerbaren voranzutreiben. Dabei spielen unterschiedliche Motivationen eine Rolle. Das sind einerseits finanzielle Gründe, aber auch ökologische und gesellschaftspolitische. Der Begriff Solarpflicht ist insofern anmaßend, weil der die Beweggründe der Aktivisten missachtet und ihnen Untätigkeit unterstellt.
Politische Blockaden
Dass der Ausbau der Infrastruktur so schleppend vorangeht, liegt gerade nicht an einem Nachfrageproblem, sondern an politischen Blockaden. Wer Solarmodule installieren und betreiben möchte, sieht sich mit einer überwältigenden Bürokratie konfrontiert. Es gibt umständliche Anmeldeverfahren und komplizierte Mengenbegrenzungen. Atmende und nicht-atmende Deckel limitieren die Ausbaumöglichkeiten und wer wie was abrechnen darf und muss, ist eine Wissenschaft für sich.
Wenn die Grünen nun einen Ausbau der Photovoltaik unterstützen möchten, könnten sie ganz einfach für ein Ende jeder mengenmäßigen Begrenzung eintreten. Weg mit allen Deckeln, Abgaben und Ausschreibungen, so wie das der Energiewendeverein Eurosolar fordert.
Sobald jeder Bürger einfach und unkompliziert so viel saubere Energie erzeugen darf, wie für seinen privaten oder gewerblichen Bedarf sinnvoll ist, nimmt der Ausbau der Infrastruktur an Tempo auf. Das haben die ersten Jahre aus der Wirkungszeit des EEG deutlich gezeigt. Anstatt also mit einer Solarpflicht zu drohen, wäre es viel effektiver und respektvoller, konkrete Möglichkeiten zu schaffen.
Klimaschutz als Last
Es gibt noch einen zweiten Grund, warum der begriff Solarpflicht in die völlig falsche Richtung zielt. Denn er suggeriert eine Vorstellung von Klimaschutz als Last. Das ist etwas Unangenehmes, von dem man möglichst wenig haben will. So vermitteln die Grünen die Botschaft, der Umstieg auf erneuerbare Energien würde mehr Kosten als Nutzen versprechen, ansonsten müsste man ja niemanden dazu verpflichten.
Eine dezentrale Energiewende hat aber großes gesellschaftspolitisches Potential. Wenn sie so konzipiert ist, dass Bürgerenergie die tragende Säule darstellt, werden Transformationen auf vielen politischen Ebenen ausgelöst. Das betrifft nicht nur die Ökosysteme, sondern auch verteilungspolitische, wirtschaftsstrukturelle, außenpolitische und andere Aspekte. In diesem Sinne könnte man Klimaschutz auch als Chance zu mehr Demokratie und sozialer Gerechtigkeit verstehen. Stattdessen etikettieren die Grünen mit ihrem Begriff der Solarpflicht den Klimaschutz als Verpflichtung und als Last. Das ist der sicherste Weg, die Energiewende in Verruf zu bringen.