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Wahlkampf ohne Energieautonomie

Energieautonomie oder die Integration der erneuerbaren Energien in das zentralistische System – das ist die entscheidende Weichenstellung. Die Wahlprogramme der Parteien zeigen, in welche Richtung es gehen soll. 

In den Wahlprogrammen für die Bundestagswahl spielt der Klimaschutz eine große Rolle. Insbesondere die großen Parteien setzen dabei auf einen Ausbau der erneuerbaren Energien. Dazu plädieren sie für verschiedene Instrumente, die die zukünftigen Versorgungsstrukturen formen werden. 

Energieautonomie als Leitbild

Aus systemischer Perspektive ist entscheidend, ob mit der Nutzung erneuerbarer Energien ein Umbau in den Versorgungsstrukturen forciert wird, so wie es im Jahr 2000 mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz gemacht wurde. Damals wurden die gesetzlichen Regelungen möglichst einfach und niedrigschwellig gestaltet, um eine Vielzahl von Akteuren zur Teilhabe einzuladen. Sie sollten einen steigenden Anteil an Energie erzeugen, um sich perspektivisch aus der Abhängigkeit von den Energiekonzernen zu lösen. 

Das Ziel dieser Strategie war die Energieautonomie. Das ist ein Begriff, den Hermann Scheer eingeführt hat und er definiert ihn folgendermaßen: 

„Der Leitbegriff der Energieautonomie bedeutet, dass eine selbst- statt fremdbestimmte Verfügbarkeit der Energie das Ziel sein muss – frei und unabhängig von äußeren Zwängen, Erpressungs- und Interventionsmöglichkeiten, nach eigenen Entscheidungskriterien.“

Hermann Scheer (2005). Energieautonomie. Eine neue Politik für erneuerbare Energien. Verlag Antje Kunstmann, München. S. 235

Dieser Ansatz zielt also auf den Aufbau autonomer Strukturen – jenseits der hierarchischen Machtblöcke der fossil-atomaren Energiewirtschaft. Jedes Instrument, jede Förderung, jede Regelung müsste die dezentralen Strukturen stärken. 

Integration in das System

Der Gegensatz zur Autonomie wäre ein Konzept der Integration. Es setzt darauf, die sauberen Verfahren nur so einzusetzen, dass sie die eingespielten und lukrativen Abläufe der fossil-atomaren Energiewirtschaft möglichst wenig stören. Erneuerbare Energien wären in einem solchen Modell eine Ergänzung, die die bestehenden Strukturen möglichst wenig verändern soll.  

Mehr Erneuerbare – nur wie?

In den Wahlkampfdebatten stehen drei Forderungen im Zentrum. Zunächst einmal fordern fast alle Parteien, die Ausbauziele für erneuerbare Energien zu erhöhen. Damit ist in der Regel gemeint, dass das zur Ausschreibung freigegebene Volumen erhöht werden soll. 

Ausschreibungen sind von der Idee her schon eine Mengenbeschränkung, um den Ausbau der erneuerbaren Infrastruktur zu kontrollieren. Darüber hinaus kostet allein eine Bewerbung viel Geld, so dass hier die finanzstarken Akteure bevorzugt werden. Das ganze Konzept der Ausschreibung ist zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Energiekonzerne, die den Ausbau der sauberen Energie dadurch kontrollieren und bremsen können. (mehr dazu hier)

Weite Wege, weite Ferne

Ein weiteres beliebtes Thema im Wahlkampf ist außerdem der Netzausbau. Die bestehenden Leitungen würden nicht ausreichen, um die Energie etwa von Nord- nach Süddeutschland zu transportieren. Bevor also ein neuer Windpark errichtet werden kann, müsse zunächst in die Leitung investiert werden. Dafür braucht man Geld, Genehmigungen und viel Zeit. 

Die Forderung nach einem Netzausbau basiert also auf der Idee, dass Energie weite Strecken zurücklegen muss. Das ist offensichtlich kein dezentraler Ansatz, bei dem die Orte der Erzeugung möglichst nahe an denen des Verbrauchs liegen. Stattdessen finden weite Transporte statt, die den Vorteil haben, eingespielte Energiekreisläufe nicht zu stören. Außerdem entsteht für den Netzbetreiber die Möglichkeit, Gebühren zu berechnen. Wer vom Netzausbau abhängig ist oder behauptet, es zu sein, stärkt daher die Position der alten Energiewirtschaft. (mehr dazu hier)

Offshore-Projekte

Das dritte große Thema mit Blick auf die Energiewende betrifft die Windkraft auf See. Es gibt Umwandlungsverfahren, um saubere Energie zu erzeugen, die sind sehr flexibel einsetzbar. Und es gibt Verfahren, die nur in großem Rahmen und mit viel Kapital betrieben werden können. Das betrifft vor allem die Windkraft auf See. Diese Methode ist das teuerste Produktionsverfahren im Bereich der Erneuerbaren und genau deshalb so beliebt bei Energiekonzernen. Denn sie sind die Einzigen, die solche Projekte stemmen können. 

Wer Ausbaumengen und Subventionen in den Wahlprogrammen vergleicht, wird feststellen, dass den meisten Parteien die Offshore-Windkraft als besonders förderungswürdig scheint. In diese Erzeugungsart fließen die meisten Gelder. 

Integration statt Energieautonomie

Strukturell laufen die Instrumente, mit denen der Ausbau der Erneuerbaren vorangetrieben werden soll, in Richtung: Integration der erneuerbaren Energien in das bestehende System. Das alles sind die Varianten von sauberer Energieerzeugung, die den Energiekonzernen am besten in den Kram passen. Sämtliche Strategien sind vereinbar mit zentralistischen Strukturen, in denen die großen Energiekonzerne den Ton angeben, und die gerade deshalb eben nicht zu einer schnellen Wende, sondern zu einer Aufrechterhaltung der bestehenden Strukturen führen.

Ein Fokus auf dezentrale und damit unabhängige Strukturen kommt im Wahlkampf nicht vor. Der Begriff Energieautonomie oder wenigstens eine Idee davon, spielen keine Rolle. Pflichtschuldig wird ein bisschen Mieterstrom oder Bürokratieabbau angeboten, aber die dicken Brocken lauten anders: Mehr Ausschreibung, mehr Netz, mehr Offshore. 

In Strukturen übersetzt heißt das: Wenn schon Erneuerbare, dann in möglichst großen Anlagen, möglichst weit weg, möglichst teure Verfahren.

Die politische Botschaft ist demnach deutlich: Der Ausbau erneuerbarerer Energien wird auf die Bedürfnisse der Energiekonzerne zugeschnitten. Sie sollen die Nutzung der sauberen Energie kontrollieren, organisieren und lenken. Was das für das Tempo der Energiewende bedeutet, liegt auf der Hand: Bremsen, bremsen, bremsen.