Mein Name ist Anja Baisch und ich bin Ökonomin und Politologin. Ich arbeitete wissenschaftlich und politisch vor allem zu den Themen Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Europäischen Union. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit war Lobbyismus.

Seit der Finanzkrise 2007/2008 beschäftige ich mich mit den globalen Spannungen, die das Weltwirtschaftssystem destabilisieren. Die explodierende soziale Ungleichheit, die Kriege um Ressourcen und ökologische Krisen, die Lebensräume verknappen und Menschen zur Migration zwingen. Diese Auseinandersetzung führte mich zur Klimakrise.

Im Jahr 2019, als die großen Fridays For Future Demonstrationen stattfanden, las ich mich durch diverse Konzepte und Ideen der Klimaschutzbewegung, beteiligte mich an Protesten und unterstützte neue Aktionsformen – doch ich fand keinen Ansatz, der mich vollkommen überzeugt hätte. Das heißt nicht, dass das alles falsch wäre, aber mir fehlte eine Strategie, die den ökologischen Erfordernissen und den Machtverhältnissen gerecht geworden wäre.

Mich irritierten auch die Bandbreite und das Durcheinander an politischen Positionen und Strategien, die alle dem Klimaschutz dienen sollen: Kapitalismuskritik und Forderungen nach einem sich ermächtigenden Staat, Wachstumskritik und Verzichtsappelle, grünes Wachstum und großangelegte Green Deals, Rufe nach Verstaatlichungen oder suprastaatlichen Regelungen. Mir erschien die ganze Debatte komplex und widersprüchlich.

Das änderte sich, als ich die Schriften des SPD-Politikers und Energiewendevordenkers Hermann Scheer entdeckte. Seine systemische Herangehensweise, die die gesellschaftliche Tragweite der Energieversorgung analysiert, brachte für mich Ordnung in das Chaos.

Er kämpfte für einen vollständigen Wechsel hin zu erneuerbaren Energien und führte überzeugend aus, warum das nur in dezentralen Strukturen funktionieren kann. Mich faszinierte, welche gesellschaftlichen Transformationen durch eine solche Energiesystemwende bewirkt werden können. Ich fand Antworten auf alle sozialen, verteilungspolitischen. friedenspolitischen und demokratischen Fragen, die in der Klimaschutzbewegung diskutiert werden. Und ich wunderte mich, warum die Idee der Energiewende in dezentralen Strukturen so wenig Raum in der Debatte einnahm.

Noch interessanter fand ich die Geschichte des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus dem Jahr 2000, das die Voraussetzungen für eine energiesystemische Wende geschaffen hatte und dessen Tragweite mir zuvor nicht bekannt gewesen war. Diese Auseinandersetzung fand ich so wichtig, dass ich im Jahr 2021 das Buch „Fossile Strategien. Woran Klimaschutz scheitert“ veröffentlicht habe.

Außerdem startete ich diesen Blog und nannte die Seite »Solare Strategien«. Mit der Radix bezog ich mich auf die Wurzel des Klimaproblems, das in den Monopolstrukturen der Energiewirtschaft liegt. Die Lösung sah ich einer Demokratisierung der Energieversorgung, die Antworten auf die sozialen und verteilungspolitischen Aspekte der Debatte gibt. Außerdem ergab sich daraus eine klare politische Strategie, die gerade nicht auf eine immer stärkere Internationalisierung und Zentralisierung zielt. Und nicht zuletzt halte ich die friedenspolitischen Implikationen einer lokalen Energieversorgung für hochrelevant.

Das waren für mich die zentralen Aspekte einer klimaschutzpolitischen Strategie, über die ich in diesem Blog schreiben wollte.
Doch im Laufe der folgenden drei Jahre entwickelten sich die öffentliche Debatte und die politischen Maßnahmen in eine andere Richtung. Ich halte die Diskussionen um die Prognosegenauigkeit der Modelle zum Klimawandel für den falschen Fokus.
Im Kern geht es um Energiepolitik in zentralisierten oder dezentralen Strukturen. Es ist keine naturwissenschaftliche Debatte, sondern eine macht- und verteilungspolitische. Es geht nicht ums Klima, es geht um Monopole.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich bestreite nicht die steigenden globalen Temperaturen. Im Gegenteil denke ich, dass es falsch ist, sich nur auf die Erdüberhitzung zu beschränken, sondern es gibt noch viel mehr Umweltkrisen, angefangen von übersäuerten Meeren, ausgelaugten Böden und verseuchtem Wasser über Müllberge bis hin zu verpesteter Luft in den Städten, um nur einige zu nennen. Und all diese Entwicklungen haben Auswirkungen auf die Lebensbedingungen und die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen. Es geht also nicht nur um abstrakte Modelle in der Zukunft, sondern um ganz konkrete und massive Umwelt- und Gesundheitsschäden im Hier und Jetzt. Diese Krisen haben eine Gemeinsamkeit: Sie stehen ursächlich oder verschärfend im Zusammenhang mit der Förderung, Verbrennung, Weiterverarbeitung und dem Transport von Kohle, Gas, Öl und Uran.

Der Punkt ist aber: Die Frage, wie zuverlässig die Modelle zum Klimawandel sind, ist nicht entscheidend. Anders formuliert: Selbst wenn die Verbrennung von Kohle, Gas und Öl ökologisch völlig unproblematisch wäre, bestünde das Problem von zutiefst hierarchischen Machtverhältnissen, die sich in extremer Ungleichheit, kriegerischen Auseinandersetzungen um Rohstoffe und tief ausgeprägten Abhängigkeitsstrukturen zeigen.

Dass sich die Debatte so verändert und wir von einer Energiesystemwende weiter entfernt sind denn je, ist einerseits eine frustrierende Erkenntnis. Aber andererseits zeigen die heftigen Kämpfe gegen das EEG, wie machtvoll der Hebel der Dezentralität ist. Die Konfliktlinie zwischen zentralisierten und dezentralen Strukturen ist entscheidend, sowohl mit Blick auf die Energieversorgung als auch wirtschaftsstrukturell als auch bezüglich der politischen Handlungsebene.

Meiner Ansicht nach wurde so gegen das EEG geschossen, gerade weil es präzise den wunden Punkt der Großkonzerne getroffen hat. Das gibt auch Hoffnung, denn diese jahrzehntelange politische und mediale Schlacht wäre nicht durchgeführt worden, wenn es keinen Grund dafür gegeben hätte.

Und das ist die gute Nachricht: Wir wissen, wie es geht.